Künstlerkolonie Worpswede 

Die ersten Künstler kamen vor mehr als 120 Jahren nach Worpswede. Den Geist der Künstlerkolonie wollen die Touristen noch heute erspüren. Aber es gibt noch viel mehr Gründe, warum sich ein Besuch des Künstlerdorfes im Teufelsmoor lohnt. 

Die Landschaft, wegen der die ersten Künstler vor mehr als 120 Jahren nach Worpswede kamen, finden wir am ersten Abend hinter unserem Ferienhäuschen. Die Sonne steht schon tief, im Gegenlicht rennt ein Hase hakenschlagend über die flache, grüne Ebene. Dunkle Kanäle ziehen sich hindurch, in denen sich Birken und Wolken spiegeln.

 

Unter den Füßen bebt es. Alles hier war Moorgebiet - die Landschaft ist geprägt vom Torfabbau. Vor 200 Jahren machten die Menschen das Teufelsmoor urbar und begannen den Jahrtausende alten Torf abzubauen. Mitten im Teufelsmoor: der kleine Ort Worpswede - klein, arm und verschlafen. Doch im 19. Jahrhundert wird er zu einer der bekanntesten Künstlerkolonien Europas.

 

Heute verbinden sich in dem 20 Kilometer nordöstlich von Bremen gelegenen Ort Kunst, Kultur, Architektur und Landschaft zu einer einzigartigen Atmosphäre. Einer Atmosphäre, von der sich auch heutige Künstler inspirieren lassen. Und die sich wunderbar dazu eignet, den Hund mitzunehmen. 

Geburt der Künstlerkolonie Worpswede

Die Zufallsbekanntschaft mit einer Worpsweder Kaufmannstochter führte den jungen Düsseldorfer Kunststudenten Fritz Mackensen 1884 in das Moordorf. Das Zusammenspiel von Licht und Landschaft, das Teufelsmoor und die Menschen faszinierten ihn. Sommer für Sommer kehrte er ins Teufelsmoor zurück, malte das einfache Leben der Moorbauern, die Moorlandschaft und den weiten Himmel.

 

Weitere bedeutende Künstler des deutschen Expressionismus und Impressionismus schlossen sich ihm an und siedelten nach Worpswede über, statt an ihre Akademien zurückzukehren. Gemeinsam mit seinen Studienfreunden Otto Modersohn und Hans am Ende gründete Fritz Mackensen 1889 die Künstlerkolonie Worpswede. Später folgten Fritz Overbeck, Heinrich Vogeler und Paula Becker, die spätere Frau von Otto Modersohn.

 

Öffentliche Aufmerksamkeit bekamen die Worpsweder Maler allerdings erst 1895 mit einer Ausstellung im Münchner Glaspalast.

 Freilichtmalerei: Fern der Städte wollten sich die Maler vom Landleben und der Ursprünglichkeit der Natur inspirieren lassen. Unter den Dächern reetgedeckter Katen hatten sie sich ihre Ateliers eingerichtet. Mit Farben, Pinsel und Staffelei wanderten sie aus dem Dörfchen hinaus, um das Licht, die Farben und den hohen Himmel über der Moorlandschaft einzufangen.  

Man malte, liebte sich und heiratete. Doch die scheinbare Idylle währte nur kurz. Nach nur zehn Jahren löste sich die Künstlerkolonie auf. Weitere Künstler folgten, bekamen aber nie so viel Aufmerksamkeit.

Worpsweder Künstler heute

Wer heute nach Worpswede kommt, erwartet irgendwie dem Mythos der berühmten Malervereinigung zu begegnen. Der Ort lebt von den eingerahmten Erinnerungen der ersten Worpsweder Künstler.

 

Doch es lohnt sich, offen für das heutige Worpswede zu sein. Denn die Vielfalt an zeitgenössischer Kunst in dem historischen Künstlerort ist groß. Etwa 150 Künstler leben heute hier. Sie kommen aus ganz Europa. Sogar bis nach Amerika lockt der Ruf und die Geschichte Worpswedes.

 

Internationale Kunst trifft Landschaft

Noch immer sind Birken-, Moor- und Wolkenmaler dabei. Aber auch Schmuckdesigner, Bildhauer, Fotografen und Objektkünstler. Künstler aller Generationen, Einzelgänger und Gruppen. Manche bleiben nur einen Sommer, andere für immer.

Atelierbesuche mit Hund

Selten trifft man Worpsweder Künstler an der Staffelei im Moor. Ihre Ateliers und Galerien sind im ganzen Ort verteilt. Viele freuen sich auch über gut erzogenen Hundebesuch. 

Wir kommen mit Künstlern ins Gespräch, lassen uns die Geschichten hinter ihren Werken erzählen und diskutieren darüber, was die heutige Kunst von der früherer Worpsweder Künstler unterscheidet.  

Ihre Arbeiten präsentieren die Worpsweder Kunstschaffenden in wechselnden Ausstellungen, etwa im Kunstcentrum Alte Molkerei oder in der Galerie Altes Rathaus oder die Große Kunstschau. Und auch in den Wirkungsstätten der ersten Worpsweder Künstlergeneration: im Barkenhoff - einst Mittelpunkt der Worpsweder Künstlerbewegung. Heinrich Vogeler schuf das Anwesen als Gesamtkunstwerk aus Architektur, Kunst, Inneneinrichtung und Garten.

Besuch bei den alten Worpsweder Meistern

Das Atelier von Paula Modersohn-Becker auf dem denkmalgeschützten Brünjeshof (Ostendorfer Straße 25) lässt sich nur von der Straße aus betrachten, es ist heute in Privatbesitz. Doch einige hundert Meter weiter, in ihrem Wohnhaus, zeigt das Museum am Modersohn-Haus viele ihrer Werke und die anderer Worpsweder Künstler.

Ich genieße eine Stunde Kunst, tauche in das kurze, aber leidenschaftliche Leben der Künstlerin ein, während mein Hund gegenüber in der Bergstraße unter einem Café-Tisch liegt und das Treiben auf der Touristenmeile beobachtet.

Spaziergang durch Worpswede

Die Bilder der ersten Worpsweder Künstlergeneration wirken noch nach. So suchen wir Ruhe weitab von Postkartenständern und Kitschläden und flüchten aus der turbulenten Bergstraße.

Friedhof: Die Flucht führt uns direkt auf den Friedhof mit der Zionskirche aus dem 18. Jahrhundert. Die Engel und kleinen Blumenfresken in der Kirche stammen von Paula Modersohn-Becker und Clara Rilke Westhoff. Es sind Strafarbeiten der damaligen Kunstschülerinnen, die 1900 die Kirchenglocken geläutet hatten, was als Feueralarm gedeutet wurde.

Der Friedhof ist eine kleine stille Welt mit vielen Skulpturen. Besonders beeindruckend ist das Grabmal von Paula Modersohn-Becker - geschaffen von dem Bildhauer Bernhard Hoetger: eine lebensgroße Frauengestalt, halb entblößt. Auf ihrem Schoß ein nacktes Kind mit einem Apfel in der Hand. Das Werk soll den Lauf von Werden und Vergehen symbolisieren. Paula Modersohn-Becker starb wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter, mit nur 31 Jahren. Die vielen frischen Blumen auf ihrem Grab zeigen, wie lebendig die Erinnerung an sie ist.

Viele andere Künstler aus den verschiedenen Künstlergenerationen sind hier beerdigt. 

Auf dem Weyerberg

Wir verlassen den Friedhof am Hinterausgang. Ein Beagle-Besitzer zeigt uns den Weg zum Weyerberg, während sich die Hunde den schmalen Weg entlang jagen. Der Ausblick über die Felder ist eher unspektakulär, aber wenn man auf der Holzbank da oben sitzt und die Wolken vorbeiziehen sieht, versteht man, was mit dem typischen Malerhimmel gemeint ist. Der Dichter Rainer Maria Rilke, der sich zwischenzeitlich in Worpswede niedergelassen hatte, schwärmte vom „Himmel von unbeschreiblicher Veränderlichkeit und Größe“.

 

Die Worpsweder Windmühle

Beliebtes Motiv in allen Generationen der Worpsweder Künstler ist auch die Windmühle auf dem Rattenberg – ein Wahrzeichen des Ortes. Die erste Mühle an diesem Standort wurde 1701 gebaut. Im 19. Jahrhundert wurde sie als Erdholländer neu erbaut und ist immer noch funktionsfähig. Vom Abendlicht angeschienen weist sie uns den wenige hundert Meter langen Weg zur Hamme.

 

Abendsonne an der Hamme

Die Abendsonne durchscheint die Bäume, die den Lauf der Hamme begleiten. Auf einer Bank sitzen drei Senioren, daneben angeln ein paar Jungs, ein junges Pärchen macht sein Kanu klar. Die Hammehütte Neu Helgoland ist idealer Ausgangspunkt für Wandertouren auf dem Wasser oder zu Fuß. Von hier aus führen alte Wege ins wildromantische Teufelsmoor, die auch viele Künstler nahmen. 

 


TIPPS KÜNSTLERDORF WORPSWEDE

Kunst

Museumsverbund der zentralen Ausstellungshäuser: www.worpsweder-museen.de   (Barkenhof, Kunsthalle, Haus im Schluh, Große Kunstschau).

Die Große Kunstschau zeigt Werke der Worpsweder Künstler der ersten, zweiten und dritten Generation. 

Im Kunstcentrum „Alte Molkerei“ gibt’s Galerien für Kunst und Kunsthandwerk, Weinstube und Restaurant, Osterweder Straße 21.

Museum am Modersohn-Haus, Hembergstraße 19, Tel. 04792/4777. www.museum-modersohn.de

Katalog der heutigen Künstler: www.worpsweder-gegenwartskunst.de 

Kunst im Grünen und mit Hund: Kunstverein Worpswede stellt in der Galerie „Das Blaue Haus“ zeitgenössische Künstler aus. Im Skulpturengarten, Findorffstr. 9, sind Hunde willkommen. Sogar Hundekekse liegen bereit. Tel. 04792/2482

Erleben

Torfkahnfahrt

Fahrt auf der Hamme in einem historischen Torfkahn. Hunde sind willkommen. Buchungstel. 04792/951200. Adolphsdorfer Torfschiffer e.V. www.moorperle.de 

Auf den Spuren der Maler: Mit Gästeführern auf den Spuren der Worpsweder Maler, mit oder ohne Museumsbesuch www.worpswede-fuehrung.de 

Wandern im Teufelsmoor: Tourenvorschläge unter www.kulturland-teufelsmoor.de  

Schlafen

Ferienwohnung "Paulas Atelier" auf dem denkmalgeschützten Brünjeshof. Wohnen, wo Paula Modersohn-Becker malte: 58 Euro/Nacht. Hunde: 20 Euro für Endreinigung, Ostendorfer Str. 25, Tel. 04792/1420. www.worpswede-ferienwohnung-paula.de 

Idyllisch am Ortsrand: Ferienwohnung Irenenhof, 40 Euro/Nacht. Bergedorfer Str. 39, Tel. 04792/1412.  

Essen

Regionale Küche und tolle Sonnenuntergänge über dem Teufelsmoor gibt es auf der Terrasse der Hammehütte Neu Helgoland. www.hammehuette.de

Lesetipp

Moritz Rinke: „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“

 

Klaus Modick: "Konzert ohne Dichter" über die Freundschaft des Malers Heinrich Vogeler zu dem Dichter Rainer Maria Rilke