Kunst zwischen Ostsee und Achterwasser

An der schmalsten Stelle der Insel Usedom hatte sich Otto Niemeyer-Holstein eine eigene Welt zum Malen erschaffen: Lüttenort. Heute erfahren Besucher auf seinem Anwesen, was der Maler unter der Begegnung von Natur und Kunst verstand.

Das Skizzenbuch unter dem Arm, den Hocker über die Schulter gehängt und begleitet von seiner Puli-Hündin „Corny“ ging Otto Niemeyer-Holstein jeden Tag über den Deich ans Ufer der Ostsee. Während der Hund voller Übermut Richtung Wasser verschwand und nur noch ein heiseres Bellen zu hören war, hielt der Künstler kurz inne. Denn das Meer war jedes Mal anders. Mehr als 40 Jahre lang kam Niemeyer-Holstein an den Strand zwischen Koserow und Zempin und hielt die unerschöpflichen Facetten der Ostsee in seinem Skizzenbuch fest.

 

Über den Deich nach Lüttenort

Dann kehrte er über den Deich und die Bahnschienen zurück in sein Refugium – nach Lüttenort, das er sich an der schmalsten Stelle der Insel zwischen Achterwasser und offenem Meer geschaffen hatte. 

Durch eine niedrige Holztür ging er in sein Atelier, drehte die Heizung auf, stellte die Leinwand auf die Staffelei und machte sich an die Arbeit.

Manchmal, wenn ungebetene Gäste kamen, verschwand der Künstler durch die Hintertür aus seinem „Tabu“, wie er das Atelier nannte. Denn er mochte es gar nicht, wegen Nichtigkeiten gestört zu werden. Beim Malen wollte er allein sein. 

 

Lüttenort - ein Ort der Begegnung

Heute sind die Türen seines Anwesens für Besucher geöffnet. Auf der Staffelei im Tabu steht ein unvollendetes Bild – es ist, als würde sein Schöpfer gleich auf seinem Stock um die Ecke kommen und zum Pinsel greifen. So hatte es sich Otto Niemeyer-Holstein (1896 – 1984) vor seinem Tod gewünscht – dass alles so bleibt, wie es zu seinen Lebzeiten war. Er wollte, dass „auch in Zukunft das, was ich geschaffen habe, denen zugänglich bleibt, denen ich mein Tun widme“. Von der steifen Atmosphäre der Museen hielt er überhaupt nichts. 

 

Lüttenort sollte bleiben, was es immer war: Ein Ort der Begegnung. Die Begegnung mit Menschen war dem Maler wichtig, „denn das schließt zugleich ein, Ansichten und Meinungen zu begegnen“. Auch die Begegnung von Kunst und Natur bescherte ihm die nötige Spannung, in der er sich schöpferisch entfalten konnte. 

Das „Atelier Otto Niemeyer-Holstein Haus“ besteht aus Wohnhaus, Atelier und Garten. In der Neuen Galerie werden seine Werke in wechselnden Ausstellungen gezeigt. Ebenso beinhaltet die Sammlung Arbeiten anderer Usedomer Maler, u. a. von Otto Manigk, Herbert Wegehaupt und Karen Schacht. 

 

Historisch gewachsenes Ensemble

Doch das historisch gewachsene Ensemble hat weit mehr zu bieten. Im Garten können Besucher mit angeleintem Hund entdeckten, was der Maler unter der Begegnung von Natur und Kunst verstand. Die Bäume, die er einst selbst gesetzt hatte, lassen Sichtachsen auf seine Plastiken frei.

 

Weiche und harte Konturen machen aus dem Garten ein harmonisches Miteinander: Die „Große Stehende“ von Wieland Foerster oder die „Badende“ von Waldemar Grzimek“ haben ihren Platz ebenso gefunden wie eine alte Schiffsglocke und Reste eines mittelalterlichen Schiffswracks.

 

Man kann durch die Rosenpergola gehen oder den kleinen Klostergarten und den japanischen Garten auf sich wirken lassen. Man stellt sich vor, wie der Maler hier über den Hof schlurfte, inmitten seiner Gartenkunst in der Sonne saß, das Glitzern des Achterwassers warf lebhafte Schatten in sein Gesicht.  

S-Bahn-Wagen diente als erstes Haus

In Lüttenort hatte sich der Maler eine eigene Mallandschaft geschaffen, in der er ein halbes Jahrhundert lang lebte. Lüttenort ist benannt nach dem Ort für „Lütter“, sein Segelboot. Bis Anfang der 30er-Jahre war hier nur Brachland. 1932 schaffte Niemeyer-Holstein einen ausgedienten Gepäckwagen der Berliner S-Bahn aus der Hauptstadt heran, der ihm als erstes Haus diente. Es ist als Urzelle von Lüttenort noch immer erhalten. Der Maler kultivierte das Land, setzte die Bäume, zog Gemüse und malte.

 

Seine Bilder waren inspiriert von der Grenzwelt zwischen Land und Meer. Jeden Tag, wenn er über den Deich ging, war er gespannt auf den Anblick, der sich ihm bot. Er bezeichnete die See als seine „größte Geliebte“. Selbst während seiner zahlreichen Studienreisen, die ihn ans Mittelmeer und an Ozeane führten, hatte er sich manchmal gefragt: „Wie wird’s jetzt an meinem Strand aussehen, was mag da zu entdecken sein?“


Tipps Insel Usedom mit Hund

Kultur mit Hund

Otto-Niemeyer-Holstein-Haus: Lüttenort/Usedom, 17459 Ostseebad Koserow

Öffnungszeiten 24. Okt. bis 10. April: Sa, So, Mi, Do von 10 bis 16 Uhr; einstündige Führungen durch Wohnhaus und Atelier: 11, 12 und 14 Uhr; Gartenführungen nach vorheriger Anmeldung. Eintritt

1,50 Euro (nur Garten), 4 Euro/ermäßigt 2 Euro (Garten und Galerie), 7 Euro/ermäßigt 3,50 Euro (Garten, Galerie und Führung); jeden ersten Sonntag im Monat für alle Besucher ermäßigter Preis. Hunde sind im Außenbereich erlaubt. 

www.atelier-otto-niemeyer-holstein.de

Anfahrt: Mit dem Auto fahren Sie bis Zempin und folgen dort der Ausschilderung. Die Zufahrt erfolgt über die Rieckstraße. Parkplätze direkt am Museums (Parkdauer 2 h frei) 

 

Wandern

Von Koserow am Strand entlang nach Lüttenort. Rückweg: Hinter dem Otto Niemeyer-Holstein-Haus verläuft der Wanderweg zwischen Zempin und Koserow. Über den Deich geht es immer am Achterwasser entlang.

 

Schlafen

Pension Schwalbennest: Hier ist man voll auf Besucher mit Hund eingestellt: Es gibt keine hundefreie Zone, Vierbeiner dürfen auch ins Restaurant. Hundesitting, Gassiservice. Hundekorb, Decke, Futternapf etc. auf Wunsch. Zimmer, Apartment, Ferienwohnung oder Ferienhaus, ruhig und von Wald umgeben. Hund kostenlos, Fritz-Behn-Str. 33-35, Benz, Tel. 038379/20303. www.usedom-schwalbennest.de 

Hotel Pommerscher Hof: www.hotel-pommerscher-hof.de

 

Hundestrände Usedom

Hundestrände: in den Seebädern Peenemünde, Karlshagen, Trassenheide, Zinnowitz, Zempin, Koserow, Kölpinsee, Ückeritz, Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. 

 

Zitate aus: „Lüttenort. Das Bilder-Leben und Bild-Erleben des Malers Otto Niemeyer-Holstein nach seinem Erzählen wiedergegeben“ von Achim Roscher